15.11.2023 08:45
«Alles hängt vom Bund ab»
Viel interessiertes Publikum an der Infoveranstaltung «Verkehrsentwicklung Region Kreuzlingen»
Die Verkehrsentwicklung in der Region Kreuzlingen hängt davon ab, was der Bund mit der N23 durchs Thurtal plant. An der Infoveranstaltung am Montagabend machten dies die Vertreter des Kantons klar. Klar auch: Ohne N23 und Oberlandstrasse macht eine Südumfahrung keinen Sinn.
Kreuzlingen Gross war das Interesse an der Informationsveranstaltung «Verkehrsentwicklung in der Region Kreuzlingen», zu der zuständige Regierungsrat Dominik Diezi, Kantonsingenieur Hartwig Stempfle und Gesamtprojektleiter Peter Imbach geladen hatten. «Heute Abend machen wir eine Auslegeordnung», sagte Dominik Diezi zu Beginn der Veranstaltung. Die Verantwortlichen würden auch über aktuelle und kommende Baustellen informieren, denn «offensichtlich berührt das Thema. Wir machen was wir können, aber zaubern kann niemand», machte er deutlich.
Schwung in der Sache N23
Die Verkehrsentwicklung in der Region hänge von der Zukunft der N23, der ehemaligen Bodensee-Thurtalstrasse ab, machte Dominik Diezi zu Beginn klar. Der Bund habe beschlossen, die N23 auf Herz und Nieren zu prüfen. «Jetzt kommt Schwung in die Sache, seit März läuft die Korridorstudie», erklärte Kantonsingenieur Hartwig Stempfle. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) investiere 1,5 Millionen Franken für die Prüfung der N23. Die Lösungskonzeption des ASTRA werde in den kommenden Wochen erwartet und der Kanton hoffe, dass die Strasse in den nächsten Realisierungsschritt komme. «Jedenfalls wird die Lösungskonzeption 2025 Anfang 2026 zur Vernehmlassung vorliegen. Für den Bau ist dann ein Beschluss des Bundesparlaments nötig».
Gesamtprojektleiter Peter Imbach sprach von «vielen Planungen in der Region, ein Vorprojekt-Dossier zur Oberlandstrasse (OLS) liegt vor, wobei beim Anschluss Münsterlingen noch drei Varianten vorhanden sind». Ein Variantenentscheid werde erst gefällt, wenn das weitere Vorgehen N23 auf dem Tisch liege. Es sei aber Fakt, dass eine realisierte N23 Verkehr aus dem Raum Kreuzlingen anziehen werde, eine Strasse im Oberland, welche diesen aufnehmen könne, gebe es nicht.
Viel Binnenverkehr
Die Verkehrsmodellierung beruhe auf der Verkehrsperspektive 2025 des Bundes. «Was allerdings mit Vorsicht zu betrachten ist, denn die Region und der Kanton wachsen überproportional». Die Modellierung gehe davon aus, dass der Personenverkehr insgesamt wachse, aber vor allem der Anteil am öffentlichen Verkehr und beim Velo. Der Anteil des Autos sinke demnach um fünf Prozent. Deutlich zunehmen werde der Lieferwagenverkehr. Die Verkehrsanalyse in der Region zeige aktuell einen durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV) von 44'000 Fahrzeugen auf, «alle Achsen zusammengeführt».
75 bis 80 Prozent dieses Verkehrs sei Ziel-, Quell- und Binnenverkehr. «Der Binnenverkehr, also die geringste im Auto zurückgelegte Distanz, beträgt 20 Prozent und ist damit gleich hoch wie der Transitverkehr», hielt Peter Imbach fest. «Die Region weist also viel hausgemachten Verkehr aus». Bis 2040 werde mit einer Zunahme von 6000 Fahrzeugen täglich bis Bottighofen, zwischen Bottighofen und Münsterlingen mit einer Zunahme von 1000 Fahrzeugen gerechnet.
Die Idee, jetzt eine Südumfahrung Kreuzlingen zu bauen, stehe im Raum, aber «eine Spange Bätershausen brächte keine grosse Entlastung für die Stadt». Ein Umfahrung bis Lengwil würde die Stadt zwar um 7500 Fahrzeuge entlasten, darunter leiden würde allerdings das Oberland. «Eine Umfahrung bis Schönenbaumgarten würde die Hauptstrasse in Bottighofen zwar entlasten, dem Bottighofer Stich aber 3500 Fahrzeuge täglich mehr bescheren». Imbach zog daher ein klares Fazit: «Die Spange Bätershausen führt primär zu Verkehrsverlagerungen ohne grosse Entlastungswirkungen für Kreuzlingen».
Ohne N23 keine Umfahrung
Für Peter Imbach war klar, dass das bestehende Verkehrssystem weiterentwickelt werden müsse. Darunter falle die Erhöhung der Verkehrssicherheit, die Optimierung des Verkehrsflusses, die Priorisierung des öffentlichen Verkehrs und der Ausbaus des Fuss- und Veloverkehrs. «Das heisst auch, dass wir massiv Velowege bauen werden, innerorts Radstreifen schaffen und die Bedingungen für Fussgänger verbessern». Beim öffentlichen Verkehr habe die Stadt Kreuzlingen für drei Jahre Vergünstigungen in der Zone 256 beschlossen, «der Stützli-Bus kommt mit dem Fahrplanwechsel».
Dominik Diezi zog die Schlussfolgerung, dass «wenn die N23 (BTS) nicht kommt, braucht es eine grundlegende Überprüfung. Stand heute macht eine Umfahrung ohne N23 keinen Sinn». Der Fokus müsse auf multimodalen Lösungen im Rahmen des Agglomerationsprogramms und der Erhaltungsprojekte gelegt werden. «Und wir brauchen eine Verbesserung der Koexistenz aller Verkehrsteilnehmer. So oder so sind alle aufgerufen, an der Lösung der verkehrlichen Herausforderung mitzuarbeiten».
In der Diskussions- und Fragerunde waren Baustellen, Stau und Velo die Kernthemen. Walter Studer beispielsweise kritisierte, dass «wir täglich Staus haben, der Regierungsrat wartet auf den Bund. Ich erwarte eine Antwort darauf, was der Kanton macht». Dominik Diezi machte klar, dass alles von der weiteren Entwicklung der N23 abhänge. «Bis dahin bleiben nur Optimierungen». Jost Rüegg fehlte ein Hinweis darauf, wie man Stauspitzen brechen kann. Peter Imbach: «Es gibt Pilotprojekte, um Erfahrungen in diesem Bereich zu machen. Road Pricing würde bedeuten, den Verkehr zu Stosszeiten zu verteuern und so übers Portemonnaie zu steuern».
Ampeln oft nicht effizient
«Das Potenzial der Verbesserung liegt im Verkehrsmix», sagte Klemenz Somm. Werner Meister kritisierte die aktuellen Baustellen-Umfahrungen und verlangte eine bessere Signalisierung ins Zentrum: «Die Situation ist kein Zustand». Die von einem Anwesenden angeregte Ampelregelung bei Baustellen wurde von Hartwig Stempfle relativiert: «Solche Regelungen sind meist nicht effizient und können zu unerwünschten Rückstaus führen». Kritisiert wurde auch der hohe Lastwagenverkehr dem See entlang. Velofahrer fühlen sich dabei vor allem in Kreiseln nicht wohl. «Die Umlagerung des LKW-Verkehrs liegt beim Bund, wir haben Verträge mit unseren Nachbarstaaten, der Kanton kann leider nicht viel unternehmen», so Dominik Diezi.
Kurt Peter
Strassennetz ist in die Jahre gekommen
Laut Dominik Diezi «ist das Strassennetz in Kreuzlingen in die Jahre gekommen und die Sanierungen sind nötig». In der Folge seien Baustellen nicht zu vermeiden. Und es werden viele sein in den kommenden Jahren, an denen der Kanton, die Stadt und Energie Kreuzlingen beteiligt sind:
Ab 2024: Bleichestrasse, Käsbachstrasse, Lengwilerstrasse, Bergstrasse, Rebenstrasse, Werfstrasse West, Schützenstrasse, Überführung Bergstrasse, Kreisel Sonnenplatz, Bärenstrasse, Rauschkreisel.
Ab 2025: Stählistrasse, Kreisel Bärenplatz, Emmishoferkreisel, Promenadenstrasse West.
Ab 2026: Hauptstrasse Nord, Kreisel Rebstockplatz, Unterseestrasse, Bushof Bärenplatz, Promenadenstrasse Ost, Seezelg.
Ab 2027: Knoten Jakobshöhe, Rosgartenstrasse, Bärenstrasse, Freiestrasse, Löwenstrasse.
Ab 2028: Kreisel Kolosseumplatz, Bachstrasse, Bahnhofstrasse, Remisbergkreisel, Bleichekreisel, Seetalstrasse, Werfstrasse Ost, Konstanzerstrasse Nord, Romanshornerstrasse Ost, Kreisel Löwenplatz.
Agglo-Programm
Im Agglomerationsprogramm Kreuzlingen-Konstanz fördert der Bund Massnahmen im Bereich öffentlicher Verkehr und Langsamverkehr. Die finanzielle Beteiligung liegt bei jeweils rund 30 Prozent. Der Fokus liegt dabei auf der Priorisierung des strassengebundenen öffentlichen Verkehrs (Bus) und der Verbesserung des Langsam-Verkehrsangebotes. Bundesgelder flossen so beispielsweise in die Busspur an der Seetalstrasse, der Sanierung Romanshornerstrasse und dem Umbau des Hertlerkreisels.