Manuela Eichenlaub wird erste Präsidentin der GML. Kurt Peter
21.09.2023 12:00
«Es ist mir eine Herzensangelegenheit»
Gesellschaft für Musik und Literatur ist aus dem Kulturleben nicht mehr wegzudenken
Nach 106 Jahren wird die traditionsreiche Gesellschaft für Musik und Literatur erstmals von einer Frau als Präsidentin geführt. Am 29. September tritt Manuela Eichenlaub die Nachfolge von Timon Altwegg an. Sie wird sich weiterhin für ein breites Angebot einsetzen.
Kreuzlingen «Es ist ja nicht gerade so, dass mir langweilig wäre», gibt die designierte Präsidentin im Gespräch zu. Ende September stellt sich Manuela Eichenlaub trotzdem zur Wahl als Präsidentin der renommierten Gesellschaft für Musik und Literatur (GML). «Der Verein muss weitergeführt werden, das ist mir eine Herzensangelegenheit». Seit 2011 im Vorstand kennt sie die GML sehr gut, weiss um die Stärken und die Herausforderungen. Von Anfang an das Ziel und weiterhin Priorität: «Die GML trägt mit dem kulturellen Angebot zu einer lebendigen Stadt bei».
Jüngere Menschen gewinnen
Die jährlich neun Veranstaltungen bieten ein Programm aus allen möglichen Epochen und Stilen an. «Wir wollen die Klassik pflegen, sie soll aber nicht die einzige Musik sein, die bei uns zu hören ist», sagt Manuela Eichenlaub. Als studierte Musikerin und Germanistin wolle sie die Literatur wieder etwas mehr fördern. «Wir sind offen für neue Projekte, mir ist es ein grosses Anliegen, auch jüngere Menschen für unser Programm zu gewinnen». Das Ziel will sie durch ihren Musikunterricht an der Pädagogischen Maturitätsschule einerseits, aber auch durch den sehr tiefen Eintrittspreis für Schülerinnen und Schüler sowie Studierende erreichen. «Mit einer Mitgliedschaft in der GML unterstützt man unsere Arbeit ganz allgemein. Die Abonnenten dagegen kommen in den Genuss von vergünstigten Eintrittspreisen, Gratis-Zusatzveranstaltungen und weiteren Überraschungen. Und ganz neu geschaffen haben wir die Wertkarte, die noch mehr Flexibilität erlaubt, weil sie übertragbar ist und zwei Saisons lang gültig bleibt».
Die GML hat keinen fixen Veranstaltungsort, «das bleibt so und ist auch mit den verschiedenen Programmpunkten begründet». Die Campus-Aula, der Dreispitz, das Kult-X, der Gemeinschaftssaal der Psychiatrischen Klinik Münsterlimngen, Kirchen: Die GML veranstaltet nicht nur in Kreuzlingen, sondern in der ganzen Region. Manuela Eichenlaub ist froh, dass neben ihr noch weitere Musiker im Vorstand aktiv sind. «Die Flut an Bewerbungen ist Riesig, da ist es wichtig, die qualitativ hochstehenden Programmpunkte zu wählen». Wenn alles nach Plan läuft, wird Musiklehrer Daniel Marx neu in den Vorstand und Manuela Eichenlaub als Präsidentin gewählt. Nochmals zur Verfügung stellen sich Benjamin Engeli, André Simanowski, Susanne Gisin und Anja Neuweiler.
Gründung in schwieriger Zeit
«Als der Verein 1917 auf Initiative des Seminarlehrers Dr. Jakob Bächtold und Prof. Dr. Otto Binswanger gegründet wurde war es das Ziel, in einer schwierigen Zeit der heimischen Bevölkerung Konzerte, Literatur und Kunst zu bieten». Denn mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges war es den Kreuzlingerinnen und Kreuzlingern nicht mehr möglich, nach Konstanz zu gehen. «Es musste also ein eigenes Programm auf die Bühne gestellt werden», sagt Manuela Eichenlaub. Die Anfangsschwierigkeiten waren gross, weil die Voraussetzungen zur Durchführung solcher Veranstaltungen fehlten. Kreuzlingen besass keinen konzertfähigen Saal. Der Löwensaal befand sich in einem traurigen Zustand, und der Musiksaal des Seminars war für gewisse Anlässe zu klein.
Was die GML in all den Jahren an Kunstschaffenden in die Region holte, kann ohne Übertreibung als sensationell bezeichnet werden: Pianist Dinu Lipatti trat 1947 auf, ebenfalls 1947 spielte Pablo Casals, die legendäre Clara Haskil spielte im Jahre 1953. Weitere Höhepunkte der damaligen Jahre waren das Gewandhausorchester Leipzig und Tonhalle-Orchester Zürich. «In den vergangenen Jahren hat sich viel verändert, nicht nur in der Kunst- und Kulturszene, auch in Kreuzlingen selbst», erklärt die kommende Präsidentin. Das ehemalige Alleinstellungsmerkmal der GML, die Durchführung von hochstehenden Konzerten und Literatur, ist Vergangenheit. Viele neue Veranstalter seien dazugekommen, Manuela Eichenlaub bedauert das nicht, im Gegenteil: «Kreuzlingen hat so ein tolles Angebot in allen Bereichen, dass wirklich niemand gezwungen wird, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen oder Kabarett auswärts besuchen zu müssen». Für die Zukunft der GML gelte noch immer das Zitat von Gustav Mahler: «Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers».
Von Kurt Peter
Zur Person
Manuela Eichenlaub ist Hauptlehrerin für Musik und Chor an der Pädagogischen Maturitätsschule, Kirchenmusikerin und Chorleiterin in Weinfelden, Mitglied der Kulturkommission der Stadt Kreuzlingen und neben vielen weiteren Tätigkeiten, ist sie Sängerin in mehreren professionellen Ensembles.