Ökoheuen – eine Massnahme für die Biodiversität
Futterernte: Die Heuernte ist dieses Jahr ein schwieriges Unterfangen. Ein Erfahrungsbericht von Martina Häberlin.
Die extensiv genutzten Wiesen, auch Ökowiesen genannt, werden nicht gedüngt. zVg
Futterernte: Die Heuernte ist dieses Jahr ein schwieriges Unterfangen. Ein Erfahrungsbericht von Martina Häberlin.
Lustdorf Es ist fünf Uhr morgens und die ersten Sonnenstrahlen zeigen sich hinter dem Horizont. Die Vögel begrüssen zwitschernd den neuen Tag. Der Wetterbericht spielt mal wieder verrückt. Drei sonnige Tage (ohne Regen) wäre im Sommer doch wirklich nicht zu viel verlangt. Sollen wir das Heu mähen, mit dem Risiko, dass es verregnet wird? Oder warten wir auf stabileres Wetter mit dem Risiko, dass das Heugras noch älter wird?
Wir haben uns entschieden und mähen das Ökoheu und weiteres Grasland auf unserem Betrieb. Das Ziel ist, Heuballen zu pressen auf dem Feld. Aufgrund der vielen Niederschläge ist der Boden nicht abgetrocknet. In einem anderen Jahr würde man bei dieser Ausgangslage nicht einen Gedanken darüber verlieren, mit dem Mäher auszurücken. In diesem Jahr sind jedoch Risiko und Kompromiss gefragt.
Die extensiv genutzten Wiesen, auch Ökowiesen genannt, werden nicht gedüngt. Dadurch wächst das Gras lückig und lässt Platz für seltene Blütenpflanzen. Erst ab dem 15. Juni dürfen Ökoflächen gemäht werden. Jeder Landwirtschaftsbetrieb in der Schweiz weist mindestens sieben Prozent seiner landwirtschaftlichen Nutzfläche aus für Ökoflächen. Der späte Zeitpunkt ermöglicht den Insekten und Pflanzen, ihre Fortpflanzungszyklen abzuschliessen. Die Sonne geht auf und wir rücken mit dem Mäher aus. Noch sind nicht viele Insekten unterwegs, weshalb wir früh morgens das Heugras mähen. Glücklicherweise hat uns über Nacht der Wind geholfen, das Gras einigermassen trocken zu halten. Das Mähwerk wird bewusst ohne Aufbereiter eingesetzt. Durch das Quetschen und Knicken des Mähguts könnte die Trocknungszeit verkürzt werden. Der Verzicht ist jedoch ein entscheidender Schritt zum Schutz der Insektenpopulation. Viele Insektenarten haben so eine grössere Überlebenschance.
Die Wiese wird nicht komplett gemäht, mindestens 10 Prozent der Fläche lassen wir stehen. In diesem Streifen können sich die Insekten zurückziehen und danach die Fläche wieder besiedeln. Spätblühende Pflanzen können so Samen bilden und sich wieder ausbreiten. Das Mähen und die Nutzung der Wiesen ist somit ein wichtiger Beitrag, um den Fortbestand der hohen Artenvielfalt zu garantieren. Auch die weiteren Ökoelemente in der Wiese lassen wir unberührt, wie zum Beispiel das Wildbienenhaus. Das Gras lassen wir auf der Wiese liegen, solange es das Wetter zulässt. Ständig beobachten wir den Wetterbericht, damit das Heu nicht verregnet wird. Nach zwei Tagen mit Heuwenden, Handarbeit mit dem Rechen und Sonnenschein muss das Heu weiterbearbeitet werden, denn die nächste Regenzelle ist laut Radar nicht weit entfernt. Das Heu schwadern wir zu Maden, damit die Ballenpresse das Heu zu Ballen pressen kann.
Weil das Heu aufgrund des aufkommenden Regens nicht vollständig auf dem Feld getrocknet werden konnte, nehmen wir die Ballentrocknungsanlage in Betrieb. Diese Einrichtung, welche mit unserem hofeigenen Solarstrom angetrieben wird, durchlüftet die Ballen tagsüber mit der Abwärme vom Scheunendach. Denn bereits leicht feuchte Heuballen bilden Schimmel und können beim Verfüttern zu Gesundheitsproblemen bei den Kühen führen. Diese nun getrockneten Ballen dienen zu einem Teil als Futterreserve, wobei das Ökoheu durch seine grobe Struktur nicht sehr beliebt ist bei unserem Vieh. Ökoheu weist einen deutlich geringeren Nährstoffgehalt aus als junges, drei- oder vier Wochen altes Gras, und unterstützt die Fütterung der Kühe nicht optimal. Tatsache ist: die Arbeitsintensität für wenig Ertrag ist hoch. Doch die Bauernfamilien legen trotz diesen Herausforderungen grossen Wert auf Biodiversität. Es ist uns wichtig, die Insektenvielfalt zu schonen und die Artenvielfalt zu fördern. Mit vielfältigen und unterschiedlichen Massnahmen trägt die Landwirtschaft zur Nachhaltigkeit bei – auch für künftige Generationen.⋌www.vtgl.ch
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