Anders Stokholm (links), Kris Vitze und Attila Wohlrab referierten am Behörden-Apéro. Kurt Peter
15.01.2025 08:13
«Populisten sind Gift»
Arbeitgeberverband Kreuzlingen lud zum Behörden-Apéro - Treffen von Politik und Wirtschaft
Politik und Wirtschaft sind voneinander abhängig. Dies wurde am Behördenapéro des Arbeitgeberverbandes Kreuzlingen deutlich. Und deutlich wurde auch: Die Zeiten haben sich verändert, aber nicht zum Besseren.
Kreuzlingen Im Dreispitz begrüsste Attila Wohlrab, Präsident des Arbeitgeberverbandes Kreuzlingen und Umgebung (AGV) Mitglieder, Gäste und Referenten. In seiner Begrüssung kritisierte er, dass «immer mehr Menschen weniger Wachstum, gleichzeitig aber auch ein immer grösseres Stück vom Kuchen wollen». Durch exorbitante Löhne in den Chefetagen mache sich Missgunst breit. Attila Wohlrab wies darauf hin, dass «unser Staat mit Bescheidenheit, Fleiss und dem Milizsystem gemacht wurde». Letzteres vermisste er, doch genau durch Engagement in Vereinen und Institutionen entstehe das Wir-Gefühl, und extreme Gruppierungen hätten so keine Chance. «Aber es braucht Kraft, Geduld und Beharrlichkeit.»
Den Herausforderungen stellen
FDP-Nationalrätin und Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Thurgau, Kris Vietze referierte zum Thema «Ein Standpunkt aus der Wirtschaft». Wirtschaft sei Gesellschaft, meinte sie zunächst. Gesunder Optimismus für das neue Jahr lasse nicht darüber hinwegtäuschen, dass vieles im Argen liege. Die meisten Menschen seien sich einig: «Vor 30 Jahren war das Leben besser. Das stimmt, weil jeder aufgrund seiner individuellen Freiheit sein Potenzial besser nutzen konnte». Das Leben sei schlechter geworden, weil die Politik von links und rechts der Mitte getrieben werde. Sie bemängelte, dass es mehr Staat gebe, dass Polemik die Diskussion beherrsche und mit Kritik nicht gespart werde. «Wir haben uns zur Anpassungsgesellschaft gewandelt», erklärte Kris Vietze. «Mit dem Beklagen aufhören, aufhören auch mit der Suche nach Sündenböcken und sich den Herausforderungen stellen», meinte sie. Es brauche den liberalen Aufbruch um die Freiheiten zurückzubekommen und das Land auf den Weg zu machen. Liberale Werte sorgten schliesslich auch für eine starke Wirtschaft.
Als distanziert wahrgenommen
Der Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm referierte über das Thema «Politik braucht Wirtschaft – und umgekehrt». Er habe viel erlebt, viel gelernt und noch viel vor. Stokholm plädierte für mehr Farben in der Gesellschaft. Als Stadtpräsident von Frauenfeld habe er vielfältige Erlebnisse mit der Wirtschaft gehabt, gute und traurige. Das Amt verlange eine gute Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, sei es bei Ansiedlungen und Wirtschaftsförderung. «In den letzten 30 Jahren ist es für alle schwieriger geworden und es stellt sich die Frage, wie wir weitergehen können um nicht stehen zu bleiben».
Politik, Wirtschaft und auch die Kirche, das wisse er als ehemaliger und bald wieder tätiger Pfarrer, hätten ein schlechtes Image. «Wir werden als distanziert wahrgenommen», stellte Anders Stokholm fest. Es stehe oft der Vorwurf im Raum, dass gerade Politik und Wirtschaft aus Eigennutz handelten. Und er stellte fest, dass «wir an diesem schlechten Image auch selber Schuld sind, denn wir haben zu viel Abstand genommen». Diese Distanz von Politik und Wirtschaft zu den Menschen habe sich in den Resultaten der letzten Abstimmungen klar gezeigt.
Mehr Miteinander
Wirtschaft und Politik brauchten sich gegenseitig, sagte er. Die Wirtschaft bringe Energie in die Gesellschaft, doch in jeder grossen Krise brauche die Wirtschaft die Politik. Die Politik schaffe gute Rahmenbedingungen. Für Anders Stokholm war klar: «Durch die Entwicklung der vergangenen Jahre wurde die Gesellschaft einfarbiger». Es brauche wieder mehr Miteinander, intensive, faire Diskussionen, die Zähne dürften gezeigt werden, gebissen aber nicht. Das populäre Modell des starken Mannes sei nicht das, welches die Schweiz brauche, dieses Modell reisse die Gesellschaft auseinander. Stokholm machte klar: «Solche Leute sind Gift für die Gesellschaft».
Von Kurt Peter