Thomas Schärer würde die Aussenperspektive mitbringen.
17.04.2025 07:17
«Eine vo üs» - oder doch von woanders?
Roger Simmen und Thomas Schärer kandidieren fürs Gemeindepräsidium in Märstetten
Thomas Schärer ist gebürtiger Thurgauer, wohnt aber seit Jahren in Deutschland – wo er als Bürgermeister eine Kleinstadt durch Krisen steuerte. Jetzt will er Gemeindepräsident von Märstetten werden. Sein Gegenkandidat Roger Simmen ist Unternehmer in der Region, nah an den Leuten, klar in der Ansage. Wer passt zu einem Dorf, das zwischen Neustart und Vertrautheit schwankt?
Märstetten «Eine vo üs», ist wohl die Aussage des Jahres, wenn es um dieHerkunftderKandidierendenfür ein Gemeindepräsidium geht. Und da kommt in Märstetten einfach ein Fremder daher vom «weitentfernten» Sigmaringen und will die etwas geschwächte Gemeinde wieder aufpäppeln: Der selbstbewusste Doppelbürger Thomas Schärer. Er tritt unbefangen als Kandidat an. Und bisher wurden keine Stimmen laut. Er kennt das Dorf von seinen Wanderungen auf dem Pilgerweg. Findet die Leute sympathisch und zugänglich. Persönlich hat er keine Verbindung zur Gemeinde. Vielleicht sehnt sich das Märstetter Volk nach einem «Fremden», der in keinerlei Verbandelungen verstrickt ist. Oder wünscht sich doch einen Ortskundigen, der aber genügend Abstand hat zum inneren Kreis der Märstetter?
Dann wäre Roger Simmen aus Weinfelden die bessere Wahl. Der versierte und in der Stadt engagierte Unternehmer und Immobilienvermittler kennt zumindest den Häusermarkt in Märstetten wie seine Westentasche. Beim Verkauf kommt er mit den Menschen, die Märstetten verlassen oder neu zuziehen, in Kontakt und kann gut einschätzen, wie die Märstetter so ticken.Simmen war eine Zeit lang der einzige Kandidat, der sich offiziell beworben hat. Und dann schnitt ihm Thomas Schärer den Weg ab. Der einstige Bürgermeister der an der Einwohnerzahl gemessen fast sechsmal grösseren deutschen Stadt Sigmaringen. Nach einer Wahlperiode von acht Jahren, in der er sich in Sigmaringen mit Integrationsfragen, wie der Erstaufnahme von2800 Geflüchteten innerhalb weniger Wochen, konfrontiert sah, folgte eine Phase der Neuorientierung. Denn er wurde mit einer Klatsche nicht wiedergewählt. Mehr zuhören, hätte er sollen, reflektiert er. Der Sozialverband VdK Baden Württemberg boti hm einen Fünfjahresvertrag an – dort übernahm er Verantwortung für Finanzen, Personal und Ehrenamt. Nun, nach Ablauf des Vertrags, wollte sich Thomas Schärer ein neues Standbein aufbauen, sichmehrder Schweiznähern. Er ist in Egnach geboren und zog der Liebe wegen nach Sigmaringen. Sein Lebenslauf ist schon vor der Zeit auf der anderen Seeseite bunt: Vom Kommunikationsleiter und Pressesprecher von McDonalds bis zum Kadermitarbeiter bei PricewaterhouseCoopers. Schärer fasste vor einiger Zeit den Entschluss, sich als Mediator in der Schweiz selbstständig zu machen. Und dann schickte ihm sein Bruder die Ausschreibung für das GemeindepräsidiuminMärstetten.DreiJahre vor der Pensionierung will er nochmals wissen. Genau jetzt, wo er nach einem rasanten Berufsleben etwas zur Ruhe kommen und mit seiner Frau mehr Zeit verbringen könnte, tritt er zur Wahl an. Er rief Reto Schubnell, Präsident der Findungskommission, an und fragte direkt: «Bin ich zu alt?». Und «ist es ein Hindernis, dass ich zur Zeit in Deutschland lebe?». Scheinbar nicht, denn Schubnell meldete sich drei Stunden später bei Schärer und lud ihn zu einem Gespräch vor der Findungskommission ein. Nun gab diese bekannt, dass sie Schärer als einzigen Kandidaten vorschlägt.
Simmen bleibt cool
Für den Weinfelder Roger Simmen wohl eine böse Abfuhr. Doch er sieht es gelassen: «Das kann verschiedene Gründe haben, vielleicht bin ich zu direkt. Vielleicht wissen einzelne, dass ich vorwärts gehen werde und da vielleicht Fehler auftauchen, die gemacht wurden. Vielleichtbinichihneneinfachzustark.» Vielleicht gebe es Mitglieder dieser Kommission, die eine Fusion mit Weinfelden wollen und der Mitbewerber sowieso nichts zu verlieren hat,da er kurz vorderPensionsteht», sagt Simmen ganz lässig. Für ihn spiele es keine grosse Rolle, dass er nichtempfohlenwerde. «DieStimmbürger werden sich ein eigenes Bild machen und hoffentlich für Märstettendie richtigePersonwählen».Fehler aufdecken, Missstände beseitigen, da drängt sich beim fast Pensionär Schärer doch die Frage auf: «Warum tun Sie sich das an?». «Weil ich glaube, dass ich etwas bewirken kann und mich nicht beweisen muss», entgegnet darauf Schärer. In Sigmaringen habe er gelernt in Krisenzeiten führen und mit der Bevölkerung offen zu kommunizieren. Sein Angebot an die Bevölkerung: ehrliche Führung, fundierte Verwaltungserfahrung, Offenheit für Dialog und das Ziel, Märstetten voranzubringen.FürdienächstenvierJahre – «vielleicht mehr, wenn es passt».
Roger Simmen ist von hier
Es stellt sich immer wieder die Fragen, wie wichtig ist die Verwaltungserfahrung im Gemeindepräsidium und wie wichtig ist die Verankerung im Dorf? Wo Schärer acht Jahre Jahre imAmtweilte, ist Roger Simmen dafür selbstständiger Unternehmer, Geschäftsmann durch und durch und kennt sich in der Regionalpolitik rund um Märstetten aus. Es ist wie Äpfel und Birnen vergleichen. In einer Sache sind die beiden Männer aber gleich. Sie beide mussten schon mal bei einer (Wieder)Wahl ihre Wunden lecken.Doch als ausgebildeten Coaches, wissen sie, wie man wieder zurück auf den Weg findet. Simmen will vor allem mit einer Sache punkten: «Ich bin ehrlich, direkt – das ist meine Art. Ich informiere so, wie ich auch selbst informiert werden möchte: offen, gradlinig und respektvoll.» Und wenn jemand nicht zufrieden mit seinem Wirken ist? «Kritik. Ich liebe Kritik und Widerstand – denn das bedeutet, dass etwas bewegt wird.» Er wäre ein präsenter Gemeindepräsident würde sich einbringen, zuhören – der Schlüssel zur Integration, sagt er. «Ich will dort sein, wo das Dorf lebt, nicht hinter einem Schreibtisch, sondern mittendrin.» Schärrers Frau würde wegen ihres Berufs in Deutschland bleiben. Ein Gemeindepräsident könne nicht rund um die Uhr für die Bevölkerung da sein. «Wichtig ist, dass die Verwaltung funktioniert.» Er hat heute schon einen weiteren Wohnsitz und ist sich die Distanz zu seiner Frau gewohnt. Doch wo Simmen jetzt schon mehr am Puls ist, müsste sich Schärer als Neuzuzüger einleben. Beides hat seine Vorund Nachteile. Vor allem in einem Dorf, dass durchaus einen Neustart vertragen könnte.
Von Desirée Müller