21.09.2023 15:30
Notwendig oder «Luxusproblem»?
Bahnhof Weinfelden: Ja-Komitee will Klarheit
Der Bahnhof Weinfelden soll für zirka 14 Millionen Franken aufgewertet werden. Das Betriebs- und Gestaltungskonzept steht, weist aber noch einige Schwachstellen auf. Alexandra Beck und Claudio Votta vom «Ja Komitee», stellen sich unseren Fragen.
Weinfelden Am 22. Oktober stimmen die Weinfelderinnen und Weinfelder über den Kredit zur Aufwertung des Bahnhofs Weinfelden ab. Zur Unterstützung diese Kredites hat sich ein überparteiliches Pro Komitee unter der CO-Leitung von Alexandra Beck, Claudio Votta und Martin Müller. Wir haben die Initianten am «Ort des Geschehens» getroffen und sie mit den kritischen Fragen aus der Bevölkerung sowie einiger Stadtparlamentarier konfrontiert. Wie sollen die 70 wegfallenden Parkplätze kompensiert werden? Wie kann die Verkehrsführung im neuen Konzept optimiert werden und wie wird die SBB, welche 2045 selbst Erneuerungen plant, involviert?
Claudio Votta, Sie sagen, dass eine freundliche, einladende Bahnhofsgestaltung Leute motivieren kann, vom Auto auf den Zug umzusteigen. Ist das in Ihren Augen realistisch?
Durchaus möglich. Wir müssen den 17'000 Menschen, die an einem gut frequentierten Tag den Bahnhof Weinfelden nutzen, Sorge tragen. Wenn man aktuell aus dem Zug steigt und zu Fuss in die Innenstadt möchte, muss man entweder über ein Nadelöhr auf die andere Seite der Strasse kommen oder bei der westlichen Personenunterführung einen Parkplatz überqueren, nicht gerade einladend.
Eher ein Luxusproblem, finden Sie nicht?
Claudio Votta: Vielleicht, aber unsere Stadt wächst und investiert viel in das Stadtbild. Unser Bahnhof hat noch viel Potenzial.
Alexandra Beck, will man wirklich mehr Leute, die den Bahnhof als Begegnungsort nutzen, respektive dort «rumhängen»?
Geplant ist ein offener Platz mit Foodtrucks, ohne «dunkle» Ecken, der hell beleuchtet ist. Mehr Menschen bedeuten auch mehr Sicherheit. Würden Sie nicht lieber abends an einem belebten Bahnhof ankommen, statt an einem leeren?
Das stimmt wiederum. Weiss man schon, wie das Sicherheitskonzept aussieht?
Alexandra Beck: Der Stadtrat ist an der Ausarbeitung eines Konzeptes. Gemeint ist nicht ein Einsatzplan für Sicherheitskräfte, sondern wie der Bahnhof mittels Gestaltungsmöglichkeiten, wie beispielsweise guten Lichtverhältnissen, sicher wird.
Apropos «sicher». Claudio Votta, wir stehen an der Bahnhofstrasse. Wie ist der Stand der Dinge?
Geplant wäre eine 30er-Zone, dazu ein Mittelstreifen, welcher von den Fussgängern als Zwischenstopp genutzt werden kann. Der Stadtrat ist auf die Kritik, ein Fussgängerstreifen auf Höhe der Musikschule genüge nicht, eingegangen. Angedacht wird nun ein zweiter.
Claudio Votta, hätten Sie ein gutes Gefühl, Ihre Kinder alleine über die Strasse gehen zu lassen?
Aktuell gibt es nur zwei Fussgängerstreifen auf der ganzen Länge des Bahnhofes. Zudem darf man jetzt schon auf Höhe der Raiffeisenbank die Strasse überqueren - nur ist der Mittelstreifen hier lediglich eingezeichnet. Im neuen Konzept wird dieser stärker inszeniert und somit auch sichtbarer. Auch nicht gepflastert, was das Passieren zum Beispiel mit dem Rollator erschwert, wie man munkelt. 30 statt 50 km/h macht dazu einen grossen Unterschied aus. Zudem würde die Strasse Richtung La Stazione gesperrt und als Begegnungsort genutzt. Damit wird die Verkehrssituation entflechtet. Somit, ja - ich hätte ein gutes Gefühl, meine Kinder hier über die Strasse zu lassen. Ein viel besseres als aktuell.
Thema Parkplätze. Alexandra Beck, 70 an der Zahl sollen weichen. Finden Sie auch diese «Idee» sinnvoll?
Der Stadtrat ist dabei, Alternativen zu schaffen oder bereits bestehende aufzuzeigen. So wie diese bei der Katholischen Kirche gleich hinter der Bibliothek. Keine fünf Gehminuten entfernt. Die öffentlichen Plätze sind sogar günstiger als diese, welche wegfallen würden. Im Felsenparkhaus hat es ebenfalls noch Kapazität und die Kosten sind etwa gleich. Dazu werden mehr Kurzzeitparkplätze geschaffen. Aktuell stehen nur zwei zur Verfügung. Jemanden auf der Nordseite des Bahnhofs abzuholen ist aktuell ein schwieriges Unterfangen.
Claudio Votta, Sie sagen, dass regelmässig Velos abhanden kommen. Was sieht das neue Konzept hier für eine Lösung vor?
Einen unterirdischen Veloparkplatz, welcher abgeschlossen ist. Ich höre immer wieder von Leuten, welche lieber mit dem Auto statt dem teuren Velo an den Bahnhof kommen, da sie Angst haben, dass es gestohlen wird. So können wir mehr Menschen dazu bewegen, das Velo zu nehmen und dadurch können Parkplätze gespart werden.
Schauen wir 20 Jahre in die Zukunft. Die SBB spricht davon, selbst Anpassungen vorzunehmen. Stimmen wurden laut, ob man nicht abwarten wolle, was ihre Pläne sind, bevor man die der Stadt für viel Geld umsetzt.
Alexandra Beck: 20 Jahre zu warten, um dann im schlimmsten Fall zu erfahren, dass es weitere 20 dauert, macht keinen Sinn. Seit 2013 sprechen wir über die Aufwertung des Bahnhofs Weinfelden. Es wurden verschiedene Vorstösse von Parteien gemacht. Man hatte lange Zeit, sich Gedanken zu machen, wo wirklich Handlungsbedarf besteht. Das aktuelle Statement der SBB ist quasi nichtssagend und das Konzept keineswegs fortgeschritten. Somit bringt es nichts, zu warten.
Alexandra Beck, wie sieht es mit der Bus-Situation aus?
Mein Partner und ich sind häufig in der Freizeit mit dem Zug unterwegs und kennen viele Bahnhöfe in der Schweiz. Ein ungedeckter Bushof sieht man dabei selten - vor allem in Städten von der Grösse von Weinfelden. Hier besteht definitiv Handlungsbedarf. Von der gesetzlich notwendigen Umsetzung der Barrierefreiheit ganz abgesehen.
Interview: Desirée Müller