Ursi Senn wird in den Reihen des Stadtrates fehlen.
16.01.2025 14:26
Wissensvorsprung wird fehlen
Ursi Senn-Bieri leitete 14 Jahre lang das Ressort «Gesundheit und Gesellschaft», per Ende Juni 2025 tritt sie zurück
Nach 14 Jahren möchte sich Ursi Senn aus dem Stadtrat verabschieden. Sie erzählt, warum sie mit einer Kandidatur haderte, wie schockiert sie von der ersten Sitzung war und wie es nun für sie weitergeht.
Weinfelden «Vor zwanzig Jahren war es für mich unvorstellbar, solch ein Amt zu übernehmen», sagt Stadträtin Ursi Senn. Aufgewachsen ist sie in Märstetten in einem unpolitischen Elternhaus. «1999 zogen wir nach Weinfelden und dank unserer Kinder wurde Weinfelden unsere Heimat.» Ursi Senn engagierte sich in Weinfelden fortan im schulischen Umfeld, war im Vorstand des Tageselternvereins und war Mitbegründerin des Familienzentrums. «Dabei kam ich erstmals in den Kontakt mit der politischen Gemeinde und lernte die Menschen hinter den Ämtern kennen.» Es folgten Anfragen von drei Parteien für die Parlamentsliste. «Aus Angst gewählt zu werden, winkte ich ab.» 2010 klopfte die SP bei ihr an und schlug Ursi Senn als Nachfolgerin von Heidi Güttinger im Stadtrat vor. «Ich habe lange mit der Entscheidung gerungen, zu kandidieren. Ich stellte mir die Frage, ob ich so ein Amt überhaupt ausführen kann, ob ich gut genug bin.» Der Wille, Weinfelden mitzugestalten war schlussendlich grösser als die Bedenken und sie stellte sich zur Wahl. «Mein Antrieb war es, Themen, für die ich mich engagiere, auf die politische Agenda zu bringen.» Gewählt wurde Ursi Senn als selbsternannter «Nobody » ohne Parlamentserfahrung. Indirekt wurde ihr zugetragen, dass sie doch gar nicht die «richtigen» Leute kenne und wie das denn laufen soll im Stadtrat. «Ich kannte einfach andere Leute», sagt sie uns lacht. Alles anders Am 1. Juli 2011 war Amtsantritt. An die erste Stadtratssitzung erinnert sie sich noch gut. «Ich war geschockt aber auch positiv überrascht, wie effizient eine Sitzung gestaltet werden kann.» Aus dem schulischen Umfeld war sie ausschweifende Sitzungen gewohnt mit langwierigen Prozessen bis es zur Entscheidung kam. «Im Stadtrat nahm die Vorbereitung viel Zeit in Anspruch. An der Sitzung selbst wurden die Themen schnell abgehandelt.» Dann stand die erste Parlamentssitzung an und kritische Fragen zur Spitex standen damals im Raum. «Ich hatte weder Parlamentserfahrung noch kannte ich mich tiefer mit der Spitex aus. Ich konnte meine Inkompetenz doch nicht schon bei der ersten Sitzung zeigen», sagt Ursi Senn augenzwinkernd. Max Vögeli übernahm die Beantwortung für sie. Danach hiess es, sich bis aufs Äusserste einzulesen in all die Themenfelder und die Stadtratsmitglieder kennenzulernen. «Wir sind eine Zweckgemeinschaft, die zusammenarbeitet, um etwas in Weinfelden zu bewirken.» Ihren Freundeskreis habe sie ausserhalb des Gremiums.
Nachhaltige Projekte
Ihr erstes grosses Projekt war folgendes Legislaturziel: «Die Prüfung von Räumlichkeiten für Jugendliche, welche erweiterte Optionen für Raum geben». An die Formulierung erinnert sie sich noch genau, klügelte sie diese in langer Arbeit mit Roger Hafner, Leiter Einwohnerdienste, aus. Tatsächlich kam das Thema durch den Stadtrat, doch wie sollte das Projekt nun weitergehen? Von Amtes wegen ist sie im Verein für Jugend und Freizeit im Vorstand. Die damalige Präsidentin Edith Schramm unterstützte sie bei dem Vorhaben gemeinsam mit engagierten Weinfeldern wie Sozialarbeiter Diego Alessi und Heinz Schadegg. Dank dem Anstoss des Projektteams konnte für das Jugendwerk Räume gefunden werden. Heute ist es so gut besucht wie noch nie und Anlaufstelle für die Weinfelder Jugend. Luftschlösser könne man in Weinfelden nicht bauen, doch wirklich wichtige Dinge möglich machen, das konnte sie in Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedensten Vereinen und Institutionen über all die Jahre. Wandel im Stadtrat Anfangs seien die Stadträte sehr auf ihr Ressort fokussiert gewesen. Übergreifende Themen waren eher gering. «Heute werden die Aufgaben ganzheitlicher angegangen. Die Ressorts arbeiten näher zusammen. Das ist ein positiver Wandel.» Die ersten Jahre waren fordernd für Ursi Senn. Sie arbeitete extrem viel operativ und das Gefühl der Unverhältnismässigkeit kam bei ihr auf. «Die Rolle eines Stadtrates sollte in der strategischen Arbeit liegen, es ist immer noch ein Milizamt.» Dass die Fachstelle Gesellschaft und Gesundheit geschaffen werden konnte, nahm ihr viel Arbeit und Verantwortung ab. «So ist es auch nach meinem Weggang garantiert, dass das Know How weiterhin vorhanden ist. Themen wie die Pflegefinanzierung sind hoch komplex. Man kann von meiner Nachfolge nicht erwarten, dass sie bereits solch ein Wissen mitbringt. » Das Ressort sei heute so aufgestellt, dass es es gut übergeben könne.
Die Arbeit im Stadtrat wird ihr fehlen. Vor allem Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedensten Organisationen und die Anlässe mit Strahlkraft wie das Kulturenfest, der Babyempfang oder die Pensioniertenfeier. Auch werde sie den Wissensvorsprung vermissen. Die Mitgestaltung von Weinfelden finde aber nicht nur im Stadtrat statt. Es gebe genügend Vereine, welche Vorstandsmitglieder suchten. Doch aktuell verspürt Ursi Senn nicht den Drang, sich in weiteren Gremien zu engagieren. Mindestens ein Jahr wolle sie kein neues Amt antreten. Mit der 50 Prozentanstellung als Schulleiterin in Amlikon-Holzhäusern und der Arbeit im Grossen Rat ist sie vollends aufgelastet. Bisher war sie im Grossen Rat noch nicht in Aktion getreten, doch nach der Einarbeitung werde sich dies ändern. «Vor allem die letzte Zeit war fordern. Ich absolvierte die Schulleiterausbildung und alles zusammen hat mir meine Belastungsgrenze aufgezeigt.» Wie sich der Wahlkampf abzeichnen wird, werde sich zeigen. Der Kandidaturvorschlag der SP werde bald bekannt gegeben. «Ich hoffe, dass wir unseren Sitz im Stadtrat behalten dürfen. Auch wenn die SP vielleicht nicht so laut ist, vertritt sie viele Weinfelderinnen und Weinfelder. »
Von Desirée Müller