Jürg Wartmann zeigt, wie mit einem Knopfdruck seine während zwei Jahren von ihm entworfene und gebaute Hanfreibe in Betrieb gesetzt wird. Bild: Werner Lenzin
17.05.2023 00:00
Die Hanfreibe dreht sich wieder in der Grubmühle
Der 72-jährige pensionierte Landwirt und Agronom Jürg Wartmann hat sich in der Grubmühle einen Traum erfüllt. In zwei Jahren erbaute er am Wanderweg zwischen Märstetten und Engwang neben dem Hof seines Sohnes eine selbst geplante Hanfreibe. Kürzlich wurde diese im Beisein zahlreicher Gäste eingeweiht.
Märstetten Strahlend und mit einem gewissen Stolz steht er vor seiner selbst geplanten und gebauten Hanfreibe: Der 72-jährige Jürg Wartmann, Landwirt und Agronom. Zusammen mit seiner Familie und Angestellten hat er über 35 Jahre den Landwirtschaftsbetrieb Grubmühle in der 5. Generation bewirtschaftet. Im Jahr 2019, drei Jahre nach Übernahme des Betriebes durch seinen Sohn Daniel, zog Wartmann mit seiner Ehefrau Martha nach Buchs im St. Galler Rheintal. Dort, in seiner kleinen Werkstatt entstanden im Verlaufe von zwei Jahren die einzelnen Teile der Hanfreibe. Anlässlich der regelmässigen Arbeitsbesuche in der Grubmühle hat Wartmann die Hanfreibe während hunderten von Stunden mit viel Herzblut und Begeisterung zusammengebaut.
Energiequelle Kemmenbach
«Die Kraft des Wassers faszinierte mich schon seit meiner Kindheit, früher waren es kleine selbstgebastelte Wasserräder und seit Jahren begeistern mich vor allem grosse, hölzerne Wasserräder, welche zum Antrieb verschiedenster Mühlen, Sägereien, Gewerbebetrieben etc. dienten», erinnert sich Wartmann. Auf seinem elterlichen Hof diente das Wasser des vorbeifliessenden Kemmenbaches seit Jahrhunderten und bis ca. 1940 als Energiequelle. Alte Dokumente belegen, dass 1841 nebst dem grossen, doppelten Wohnhaus, der Scheune und dem Ofenhaus, ein beinahe neues Gebäude mit dem Recht zur Wasserentnahme bestand. Dieses diente damals zum Betrieb einer Säge, Hanfreibe und Oelmühle und dessen zwei Räder waren das ganze Jahr hindurch mit genügender Wasserkraft versehen. «Leider ist von der damaligen Anlage nichts mehr vorhanden und mit meinem Projekt möchte ich der Nachwelt die Funktion der Hanfreibe, wenn auch in etwas verkleinerten Form, aufzeigen», erklärt Wartmann. Er ist zwar überzeugt davon, dass sein Nachbau, den er aufgrund der Fachliteratur nachbaute, nicht einem originalen Nachbau entspricht und trotzdem: «Der Betrachter soll in die Welt vor über 200 Jahren eintauchen.» Der Nachbau, die Berechnungen, die Konstruktion und vor allem das Arbeiten mit Holz hat den 72-Jährigen fasziniert und herausgefordert, nun steht das stolze Werk da.
Am Standort des einstigen Ofenhauses
Jürg Wartmann weiss, dass Hanfreiben und Ölmühlen oftmals als Einheit betrieben wurden. «So gelang es, die damit verbundenen Arbeiten übers Jahr zu verteilen», weiss er. In der Grubmühle und auch an anderen Orten war dies ein wichtiger Gewerbebetrieb. Die Rohmaterialien wurden von den Bauern angeliefert und anschliessend wieder abgeholt. Für die Verarbeitung erhielt der Betreiber der Anlage einen Lohn. Ebenso gehandhabt wurde dies mit dem Sägen von Holz und dem Mahlen von Getreide. «Es versteht sich, dass alle diese Betriebe an einem Bach angesiedelt waren, da das Wasser als Energielieferant genutzt wurde», sagt der pensionierte Agronom. Für den Standort seines Projekts wählte er den von Fussgängern gut frequentierten Wanderweg in der Nähe des Wohnhauses, dort wo einst das Ofenhaus stand. Aus einer nicht mehr benötigten Zysterne mit 10 Kubikmeter Fassungsvermögen gelingt es, das Wasser auf das grosse Rad zu pumpen. Es gelangt über einen Holz-Kännel auf das Wasserrad und verschwindet nachher im Boden, wo es aufgefangen und zurückgepumpt wird. Das Rad und die gesamte Mechanik ist mit alten Original-Biberschwanzziegeln überdacht und gegen Witterungseinflüsse geschützt.
Im Zentrum der Reibstein
Für den Bau des Wasserrades verwendete Wartmann Lärchenholz, für das Getriebe Esche. Der handwerklich begabte pensionierte Landwirt erstellte sämtliche Zeichnungen, Pläne und Berechnungen selbst. Der eigentliche Mittelpunkt der Anlage ist der Reibstein. Er hat die Form eines Kegelstumpfes. Diese Form ergibt sich aus der Geometrie: Der Weg, den der Stein zurücklegen muss, ist aussen grösser als innen, also muss er aussen dicker sein als innen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass er einen gewissen Reibe-Effekt ausüben soll. Denn seine Aufgabe besteht darin, die derben Fasern des Hanfstängels für deren Weiterverarbeitung weicher und geschmeidiger zu machen. Darum bestimmt man den inneren Durchmesser etwas grösser. Der Stein ist jetzt gezwungen, leicht «durchzudrehen», weil er nicht schön abrollen kann. «Einen Naturstein zu bearbeiten, bis er die gewünschte Form hat, war mir etwas zu zeitaufwändig und ich entschloss mich deshalb, eine entsprechende Giessform anzufertigen und den Reibstein aus Sand und Zement herzustellen», erklärt Jürg Wartmann. Mit einem Druck auf den roten Knopf vor der Anlage, kann diese in Betrieb gesetzt werden. Eine Schautafel dient der Information. Der glückliche Erbauer hofft, dass möglichst viele Passanten und Gäste sich an seinem gelungenen Werk erfreuen mögen.
Werner Lenzin