Uta Reutlinger
«Wir empfehlen, psychische Gewalt bei der Kantonspolizei Thurgau zur Anzeige zu bringen.»
Männerchor
Der 37-jährige Kirchenmusiker Michael Stadtherr ist seit Ende letzten Jahres Dirigent der Kreuzlinger Harmonisten. Der Männerchor gehört zu den letzten der Region. Doch von Aufhören ist keine Rede.
Kreuzlingen Abraham Lincoln ist US-Präsident, eine Pockenepidemie breitet sich aus und es tobt die Schlacht in Gettysburg. Alles fernab der Schweiz, doch das Gründungsjahr des Männerchors Harmonie war ein bewegtes. Die Vorstellungskraft reicht fast nicht aus, um sich in Gedanken 160 Jahre zurück zu versetzen. Doch zumindest im Kreuzlinger Männerchor hat sich eines nicht geändert: es wird immer noch mit Leidenschaft gesungen.
Wir besuchen letzten Donnerstag eine Probe des Männerchors im Musikpavillon des Schulhauses Bernegg. Als wir ein paar Minuten nach Probebeginn eintreffen, wird bereits fleissig in Haydens «Schöpfung » geblättert und den ersten Choreinsatz angestimmt. Die Tenöre zuerst, dann sind die Bässe dran. Als jeder Klang sitzt, werden die Zeilen gemeinsam gesungen - und es klingt fantastisch. Die weisse Haarpracht dominiert, doch in den Reihen sind auch einige jüngere «Köpfe » zu erkennen. So auch dieser von Präsident Thomas Leu aus Salenstein. Für den Juristen und Familienvater ist der Verein ein Herzensprojekt. Dass mit Michael Stadtherr ein junger, innovativer Dirigent gefunden wurde, freut ihn aktuell besonders. 37 Jahre alt sei er, erzählt Michael in einer Pause. Seit 2018 ist Stadtherr Kirchenmusiker an der Konstanzer Lutherkirche und Bezirkskantor für den Kirchenbezirk Konstanz. Somit arbeitet der Männerchor Harmonie mit einem Profi zusammen. Er habe Geduld mit ihnen, erzählen die Herren amüsiert. Und hole das beste aus ihren Stimmen heraus, ergänzen die Sänger. Einige sind schon über 30 Jahre im Verein. Das älteste Mitglied, Alois Lorenz, singt mit bald 90 Jahren immer noch voller Inbrunst. «Ich halte die Stellung, bis wir Zuwachs bekommen », sagt er und lächelt. Das Thema Nachwuchssänger beschäftigt auch die Harmonisten. Um an neue Stimmen zu kommen, verbiegen sich die Sänger jedoch nicht, bleiben sich und ihrer Linie treu. Keine in Accapella interpretierten Popsongs werden inszeniert. Gesungen wird auf einem hohen Niveau, die Stücke sind anspruchsvolle Klassiker und sorgfältig ausgewählt. An die Konzerte treten die Herren bestens vorbereitet an, was auch üben zu Hause voraussetzt. Wie in vielen Vereinen merkt auch der Männerchor, dass sich Verpflichtungen in der Freizeit je länger je mehr unbeliebt machen. «Bei uns ist der Aufwand überschaubar mit etwa 30 Proben im Jahr und einer handvoll Auftritten », relativiert Thomas Leu. Servieren an Abendunterhaltungen oder Altpapiersammeln am Samstagmorgen steht nicht auf dem Jahresprogramm. Doch das Vereinsleben an sich wird reichlich gepflegt von den Mitgliedern. Nach den Proben wird in der «Stadtmitte» geplaudert. Gerügt über allenfalls verpatzte Einsätze oder eine missglückte Note werde selbstverständlich nicht. Denn bei den Harmonisten solle man sich nicht wie in der Schule fühlen, sagt Stadtherr lächelnd. Der 9. Juli steht fett unterstrichen in der Agenda der Sänger. Dann nämlich treten sie gemeinsam mit den Sängerinnen und Sängern des Bach Chores Konstanz und der Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz in der Stephanskirche in Konstanz auf. Mit dabei professionelle Solistinnen und Solisten. Für diesen Auftritt sind auch Projektsänger herzlich willkommen. Nach dem Konzert stehe es den Sängern frei, den Verein weiter mit ihrer Stimme zu unterstützen.
Die Probe neigt sich dem Ende zu, die Konzentration bleibt bis zum letzten Ton. Etwas, das die Harmonisten besonders gut beherrschten, sei Disziplin, lobt der Dirigent seine Sänger. Erwartungsvoll schaut er einen jüngeren Gast an, der sich für ein Probesingen angemeldet hatte. Dieser nickt vielversprechend und fragt zur Freude aller. «Nächsten Donnerstag, gleicher Ort, gleiche Zeit?». Ein Lichtblick.
Von Desirée Müller
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